Joschka Fischer’s Passionate Plea for a Transatlantic Partnership
This is a liveblog from the grand opening of the Graduate School of North American Studies at the Freie Universität Berlin. Since all the speakers hold their speeches in German, this post will now switch its language:
Der Henry-Ford-Bau ist gut besetzt, lange Schlangen vor der Garderobe, und alle wollen nur eines: den Joschka sehen. Na gut. Einige wenige wollen auch noch ein sogenanntes Exzellenz-Cluster eröffnen, in Form einer Graduiertenschule am John-F.Kennedy-Institut, an der junge Menschen zur zukünftigen Elite ausgebildet werden sollen. Also los.
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Als erstes: Ursula Lehmkuhl, Professorin am John-F.-Kennedy Institut, mit einer prophetischen Ankündigung: “Die FU ist seit Gewinn der Exzellenzinitiative nicht mehr was sie war.“ Das Publikum kann sich Gelächter nicht verkneifen. Immerhin wird eingeräumt, dass man mit der finanziellen Ausstattung eines Ivy-League-College trotzdem nicht mithalten kann. Ansonsten ist jetzt aber natürlich alles anders, so als Elite-Uni.
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Ein Staatssekretär spricht. Staatssekretäre sind langweilig. Wo bleibt Joschka?
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Die Graduiertenschule soll den interdisziplinären Ansatz des JFK-Instituts weiterführen, sagt Ulla Haselstein. Kultur und Literatur, Wirtschaft und Soziologie, Geschichte und Politik sollen gemeinsam erforscht werden. Aber was hat Joschka Fischer damit zu tun?
Haselstein schlägt mal eben in den frisch erschienenen Memoiren des ehemaligen Außenministers nach. Dort findet die Professorin das Protokoll eines Telefongesprächs Fischers mit Madeleine Albright während der Kosovo-Krise. Die US-Außenministerin habe damals gesagt, Milosevic müsse mitziehen, “or we bomb”. Ein Satz, der Fischer schlaflose Nächte bereitet hat.
Diesen Satz erhebt Haselstein zur spiegelbildlichen Situationsbeschreibung des Amerikanisch-Deutschen Verhältnisses. Was das heißt, dass erklärt uns jetzt mal der Joschka.
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Aufttritt Fischer: “Guten Abend meine Damen und Herren, liebe Exzellenzen.” Der Sprachduktus sitzt also schon, wobei der Spruch eher augenzwinkernd vorgetragen wird. Fischer stellt sich als überzeugten Transatlantiker vor. Der große Bogen beginnt mit, wie könnte es anders sein, dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die USA sind für Fischer ein “funktionierendes Modell”, das transatlantische Bündnis sei außergewöhnlich und einzigartig.
Bogenende, wir sind in der Welt nach dem kalten Krieg, eine unilaterale Welt, mit den USA als einziger globaler Macht. Aus dieser Konstellation ergibt sich die kritische Dimension der derzeitigen Verhältnisse, bei einem Wegfall der USA als politische Kraft, entstünde ein riesiges Machtvakuum, das kaum füllbar sei.
Und Europa? “Nach wie vor hängt die Europäische Union irgendwo zwischen Nationalstaat und Staatenbund, Vergangenheit und Zukunft… Da wo Europa integriert ist, ist es stark.” Aber auch nur dort. Daher blieben Zweifel an der neuen Leitrolle eines geeinten Europas.
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Heutzutage mangele es den beiden Partnern an einer gemeinsamen Bedrohungslage. Hier zeige sich das sicherheitspolitische Ungleichgewicht zwischen EU und USA, mit den USA als starken, massiven Pfeiler auf der einen Seite, der EU als schwächelndem, bröckligen Gebilde auf der anderen. Früher habe das bei sich gleichenden Bedrohungen zu einem ausgleichenden Effekt geführt – die USA preschen vor, Europa räumt auf, oder so ähnlich.
Heute aber, bei einer sich schleichend gegenläufig entwickelnden Weltsicht, zwischen neoliberalen Hegemonie- und multilateralen Konsensbestrebungen, da führe diese Architektur des transatlantischen Bündnisses zum Einsturz der gesamten Konstruktion.
In jedem Falle gilt: “Wir werden immer auf die transatlantische Rückversicherung angewiesen sein.” Jeder Transatlantiker müsse daher für ein starkes Europa sein, um den USA in der Rolle der Leitmacht zur Seite springen zu können. “Konkurrenz ist unbequem, trotzdem bleibt es Konkurrenz in der Familie.” Das sei besser als ein schwaches Europa, das die USA weder Ernst nehmen können noch müssen.
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Die kommenden Herausforderungen sind uns wie auch Fischer wohlbekannt. Zuerst ist da der rasante Aufstieg Indiens und Chinas und die damit verbundenen Änderungen in der Machstruktur der Weltpolitik. Dazu kommen regionale Krisen und Terrorismus, mit der Krise in Pakistan als aktuelles Zeichen eines sich zentrifugal verstärkenden Konflikts. Nuklearwaffen im Iran, ein nach wie vor ungelöster Nahostkonflikt, die Kurdenfrage, die die Türkei mit in den Konflikt zieht – ein Konfliktpotential, das düstere Szenarien heraufbeschwört.
Und dann noch die Globalisierung. Für Fischer eine der Lehren des Elften Septembers – “Globalisierung heißt, es gibt keine Konflikte mehr, die soweit weg sind, dass man sie vergessen kann”, erklärt er. Die globalisierte Welt berge eine große Zerreissprobe für das transatlantische Bündnis.
Denn, “die USA haben sich verirrt.” Ob diese Irrungen nur eine – temporäre – Folge des irrlichternden Präsidenten oder langfristige, auf Dauer gestellte Fehlentwicklungen sind, beantwortet Fischer nicht. Zurück zum Hindukusch, Fischer bleibt beim Paradigma des starken Europas, das seine transatlantischen Pfründe auch in Afghanistan verteidigen muss, um seine Position in der Partnerschaft zu behaupten.
Eine Empfehlung an die Bundesregierung hat der Realo-Grüne auch noch dabei: Die Briten wie auch die Kanadier verstünden nicht die Zurückhaltung, die die Deutschen Unternehmungen in Afghanistan kennzeichnet. Und weil’s so schön ist mal wieder ein bißchen mitzumischen, noch ein Hinweis an die Amerikaner: “Ein Krieg gegen den Iran, ist nur wieder ein Krieg, von dem man vorher weiß, dass man ihn nicht gewinnen kann.”
Dann noch schnell ein Wort zur neuen machtpolitischen Ordnung der Welt. In den USA sei Europa “ein guter Platz um Urlaub zu machen oder um zu investieren.” Aber für die großen Fragen sei die EU schlicht nicht relevant. In den USA werde ein neues Dreieck diskutiert, mit China und Indien als neuen strategischen Partnern. Eine Erkenntnis, die nicht auf der Großklotzigkeit der USA beruhe, sondern auf einer realistischen Situationseinschätzung.
Darum stellt Fischer zwei Diagnosen: Europa braucht mehr Realismus. Und die USA haben eine Rückkehr zur multilateralen Führung dringend nötig, und zwar ohne jedwede ideologische Verblendung.
Rückkehr zur Situation nach dem Zweiten Weltkrieg, zu einer wesentlich eindrucksvolleren Gefahrenlage, letztlich zur Geburtstätte der modernen transatlantischen Partnerschaft. Fischer sagt, es ist ein beschwerlicher Weg, ein weiter Weg, es gibt aber keinen anderen. Also, packen wir’s.
Applaus. Lange
By Kolja Langnese
Hören Sie die gesamte Rede, ungeschnitten:
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4 Comments, Comment or Ping
Dirk
It was a pretty disappointing speech. There was nothing said that you didn’t already know beforehand, it was full of platitudes. Joschka, you’re retired, you’ve got a book to promote, so you have do better than that. Dare something.
Nov 5th, 2007
Jessica
Good article, though! That’s dedication, doing a live report! too bad I missed it.
But I guess the opening of the JFKI Graduate school wasn’t the place for Joschka to bust out some really innovative theory on global relations… at least he must’ve thought that.
Nov 5th, 2007
Reply to “Joschka Fischer’s Passionate Plea for a Transatlantic Partnership”
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