The Conscience of a Liberal
Today, Princeton Professor and New York Times Columnist Paul Krugman held a lecture at the FU Berlin. You know what follows now: Liveblog ist back! Again, only in German, since I can type faster this way.
Die Graduate School of North American Studies und das John-F.-Kennedy-Institut haben geladen, und Paul Krugman ist gekommen. Außerdem ist gerade Krugmans neues Buch “The Conscience of a Liberal” in Deutschland beim Campus Verlag erschienen, praktisch oder? tapmag berichtet nicht exklusiv, dafür aber live von den Vorgängen im FU Audimax.
–
Prof. Collier stellt den Gast den gut besetzten Rängen vor, mit ein bißchen Name- und Booktitle-dropping. Außerdem erfahren wir mehr über seine Ansichten. Krugman war einer der frühesten Kritiker der Bush-Regierung. Als einer der ersten wies er darauf hin, dass der König keine Kleider trägt, so nennt Prof. Collier das. Krugman bloggt übrigens auch.
–
Den Rest der Vorstellung übernimmt Stephen Colbert! (Einfach mal auf Minute 2:15 vorspulen)
Krugman stellt sein Manifest “Conscience of a Liberal” vor, auf deutsch “Nach Bush”. Worum geht’s? Ausgangspunkt ist die Frage, wie die USA dahin gekommen sind, wo sie jetzt sind. Krugman sagt, Bush ist kein unglücklicher Zufall sondern das Resultat eines größeren Trends: das Wiedererstarken der Konservativen – durch und in Form von Medienprodukten, Think Tanks, Netzwerken und Lobbyists. Rick Santorum ist ein Paradebeispiel für diese Art von Einflußnahme, genauso Karl Rove, der nach seinem Ausscheiden aus der Regierung sofort einen Platz als Kommentator bei Fox News ergattern konnte.
–
Diese konservative Bewegung will die USA in den Zustand während des “Gilded Age” zurückversetzen, bevor “Teddy Roosevelt und die Sozialisten das Land veränderten”, zitiert Krugman einen der konservativen Chefideologen. Natürlich kann man die neuen Konservativen nicht ohne Ronald Reagan erklären, der die Macht der Gewerkschaften so weit es ging eindämmte, so dass heute nur noch 8% der Arbeiter organisiert sind, erklärt Krugman weiter.
Ein Ergebnis dieser Bewegung: Die Ungleichheit in der amerikanischen Gesellschaft wird immer größer. Punkt. Wie auch immer die Erklärungen dafür lauten, dieses Ergebnis ist erstmal Fakt. Krugman meint, wir – also die Deutschen – haben keine Ahnung, wie eine richtige Zunahme der Ungleichheit aussieht (Das soll er mal Heuschrecken-Münte und Finanzmarktmonster-Köhler erzahlen!). In den 60ern bekam der CEO von General Motors 4,5 Mio in heutigen $, der durchschnittliche Arbeiter bekam 45,000$. Heute kriegt derselbe Arbeiter nur noch 19,000$, der CEO macht sich aber mit satten 23 Mio $ die Tasche voll.
Weiter geht’s mit der näheren Vergangenheit. 2004 konnte sich Bush erfolgreich als “Defender against Gay Married Terrorists” verkaufen, darum hat er laut Krugman die Wahl gewonnen. Wie kamen die Wahlerfolge der Republikaner über den Verlauf der letzten 50 Jahre zustande? Krugman führt die Erbsünde der USA an, die Teilung der Gesellschaft entlang der Hautfarbe. Indem die Demokraten unter Lyndon B. Johnson die Bürgerrechte der Schwarzen erstmalig herstellten, gaben sie auch den Süden der USA an die Republikaner ab. Davon hat sich die demokratische Partei bis heute nicht erholt. Bis heute.
Denn in seinem Buch schaut Krugman grundsätzlich positiv in die Zukunft, “Race” als Faktor verschwindet allmählich aus der politischen Merheitsbildung. Ein Beispiel: Kalifornien. Hier startete Ronald Reagan seine Karriere mit Attacken gegen “Welfare Moms” und brachte es damit bis zum Governor, später dann zum Präsidenten. Kalifornien heutzutage hat zwar wieder einen Schauspieler als Governor, ist aber ein sehr liberaler Staat, indem gleichgeschlechtliche Ehen erlaubt sind und der Klimawandel bekämpft wird.
–
Kurze Zwischenempfehlung: Was heißt “Liberal” in den USA? Erklärung hier.
–
Die USA sind heutzutage ein mehr als jemals zuvor ethnisch gemischtes Land; rassistische Bemerkungen wie etwa von George Allen sind unverzeihlich und werden auch von Wählern nicht mehr toleriert. Dieser Fall erzählt viel über den gestiegenen Einfluss von Youtube-Clips, aber auch über den größeren Wandel in der Mentalität der Gesellschaft.
–
Lieber Herr Dieter Lentzen: Die Stühle im Audimax sind ganz schön ungemütlich. Na ja, Krugman muss dafür die ganze Zeit stehen.
–
Krugmans Wahlprognose: Die Demokraten gewinnen. Die Wahlnacht wird aber trotzdem eine harte Nacht, und Krugman wird “viel trinken müssen, um das durchzustehen.” So, jetzt sind wir durch und die Fragerunde beginnt.
Zuerst: Wie kann man das Framing und Spinning der Konservativen umgehen, das kaum Opposition durch rationelle Diskussion zulässt? Krugman: Die Konservativen haben es mit patriotischer Rhetorik so sehr übertrieben, dass sich niemand mehr von Anstecknadeln und Nazi-Vergleichen beeinflussen lässt. (Na ja, Obama trägt jetzt trotzdem eine Flagge am Revers, obwohl er das vorher als leeres Symbol abgetan hatte – ganz ohne geht eben doch nicht.)
Nächste Frage: Wie kann man den Einfluss großer Firmen brechen, z.B. beim Thema “Health Care”? Krugman: Die Lösungsvorschläge, die auf dem Tisch liegen, sind kaum durchsetzbar, weil die Pharmafirmen genug Gegengewicht aufbringen können. Das Problem: Die Kandidaten trauen sich jetzt nicht sich zu radikalen, aber nötigen Lösungen zu verpflichten. Denn sie wissen genau, sind sie erst einmal gewählt, können sie diese Versprechungen kaum einlösen. Darum muss man jetzt versuchen, der Pharmaindustrie Eingeständnisse abzufordern und den Kandidaten Anreize schaffen, sich zu harten Politiken zu verpflichten.
Die nächste Frage klingt ein bißchen naiv: Warum ist Ungleichheit eigentlich so schlimm? Krugman: Was ist das richtige Maß? Zum einen: Warum verteilt sich der ohne Zweifel gestiegene Wohlstand nicht auf den Großteil der Marktteilnehmer, sondern nur auf ein paar wenige? Zum zweiten: Was bedeutet es für eine demokratische Gesellschaft, wenn sich Teile davon aus diesem Vertrag lossagen können und in einer vollkommen anderen Welt leben? Was passiert wenn eine Gesellschaft auseinanderdriftet? Ist klar, oder?
Next: Können die Demokraten die religiöse Rechte in den USA, vor allem im Süden, erreichen? Mister K.: Die Korrelation zwischen den Mitgliedern der konservativen Bewegung, den “Moral Values Voters” und den regelmäßigen Kirchgängern ist im Süden einfach sehr hoch. Aber: Historisch gesehen sind “Liberals” und die Kirchen auf keinen Fall Gegner.
Frage: Es gibt immer wieder die Behauptung, dass die Inflation in den USA sehr viel höher ausfällt, als sie durch die offizielen Zahlen ausgewiesen wird. Wurde der Consumer-Price-Index manipuliert, um der Bush-Regierung politische Vorteile zu verschaffen? Antwort: Die Bush-Regierung hat definitiv viele Government Agencies politisch korrumpiert. Die statistischen Agencies sind davon aber weitestgehend frei.
Now tapmag’s own, Peter A. Dahl: Konservative behaupten gern, die Angelsachsen im “Heartland” auf ihren Farmen machen das Herz der amerikanischen Kultur aus – welcher Kandidat kann diese Wähler mit den anderen Wählergruppen vereinen? Krugman: Es ist auf keinen Fall richtig, dass das Herz der amerikanischen Kultur in den Weizenfeldern des mittleren Westens schlägt. Es gibt mehr Menschen in den USA, die World of Warcraft spielen, mehr Menschen, die in NYC leben, als es Farmer in den USA gibt. Auf einen Kanidaten will sich Krugman trotzdem nicht festlegen. Wir vermuten, John McCain wäre es nicht gewesen.
Mister Krugman, was macht sie zu einem “Liberal”, und wie merkt man, ob man selbst einer ist? Krugman: Kommt drauf an. Glaubt man daran, dass es gesellschaftliche Mechanismen geben sollte, die die Härten der amerikanischen Wirtschaft schleifen? Glaubt man, dass Health Care für alle in der Gesellschat verfügbar sein sollte? Wenn man liberal so versteht, dann bin ich einer, wenn man diese Fragen selbst mit ja beantwortet, dann darf man sich wohl zum Lager der “Liberals” zählen.
Kommt Obamas Kandidatur zu früh? Was wenn die USA jetzt in eine Rezession schlittern und dann ein Präsident Obama für die schlechte Lage verantwortlich gemacht wird? Krugman: Jetzt ist die Zeit. In vier Jahren werden die Probleme nicht kleiner sein, das Defizit wäre größer, ebenso die Schwierigkeiten bei der Reformation des Gesundheitssystems. Um es mal in den Worten eines demokratischen Präsidentschaftsbewerbers auszudrücken: “The time for change is now.” Wobei Krugman das natürlich nicht genau so gesagt hat.
–
Und damit ist Schluss. Das Buch gibt’s bei Amazon und überall anders zu kaufen, und tapmag officially endorses Krugman for vice-presidency, den Kandidaten dürft ihr euch selbst aussuchen!
By Kolja Langnese
One Comment, Comment or Ping
Reply to “The Conscience of a Liberal”
You must be logged in to post a comment.